Die Angst einer fremden Sprache

 
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Jeder kennt die englische Sprache und jeder weiß auch einige Wörter auf Englisch. Die englische Sprache ist heutzutage überall präsent. Wir hören englische Lieder im Radio, englische Namen werden im Fernsehen benutzt und durch die Schule sind wir schon im frühen Alter mit der englischen Sprache in Berührung gekommen.
Ich hatte bereits im frühen Alter in der Schule Englisch Unterricht, durfte einige Male nach Amerika reisen und nahm sogar am Englischkurs in der Uni teil. Mich hat somit die englische Sprache bereits mein ganzes Leben begleitet, auch wenn nie bewusst und eher nebensächlich. Ich konnte im Urlaub mein Essen bestellen, nach dem Weg fragen und die Einheimischen auf der Straße verstehen. Das hat bislang in meinem Leben immer ausgereicht.

Doch wie ist es, wenn der Zeitpunkt kommt, wo die englische Sprache zur Hauptsprache wird?

In der eigenen Muttersprache ist einem kaum bewusst, wie viel wir Tag für Tag sprechen. Man hört Menschen zu, man spricht am Telefon, man äußert seine Emotionen, Schmerzen oder beschreibt seine bestimmte Situation. All diese Momente auf einer anderen Sprache zu leisten, ist gar nicht so einfach. Und umso mehr man sich Situationen auf einer anderen Sprache vorstellt, umso unmöglicher kommt es einem vor.
Plötzlich tauchen beim Arzt wilde Fremdwörter auf, Blumennamen auf dem Markt hat man bisher noch nie gehört und das Essen im Restaurant klingt gar nicht mehr so lecker durch die verschiedenen unbekannten Gewürz- und Zutaten Namen. Selbstverständlich kann man die unbekannten Wörter immer nachschauen und sich im Internet übersetzten lassen, aber oft hat man dafür die Zeit nicht im Alltag oder die Situation lässt es einfach nicht zu. Bis ich alle Wörter nachgeschaut und übersetzt habe, bin ich nicht mehr krank, die Blumen verwelkt oder das Essen kalt.

Nachdem ich nach London gezogen bin, habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht. Wie werde ich zurechtkommen, werden die Menschen mich verstehen, werden Sie mich auslachen? Und auch wenn man im privaten Alltag einfach stumm wie ein Fisch durch eine fremde Stadt schlendern kann und das nötigste nur sprechen muss, ist es nicht das Ziel einer Auswanderung und auch keine Lösung auf Dauer. Ganz besonders nicht für mich, die eh nie das Plappern aufhören kann, wie mein Mann immer schön von mir behauptet. Doch tatsächlich machen die Londoner es einem einfach. Sie sind freundlich, reden auch gerne viel und sprechen ohne Scheu und Abneigung einen an.
Nichtsdestotrotz war meine größte Herausforderung irgendwie dann doch die neue Sprache im Berufsleben anzuwenden. Meine ersten Bewerbungsgespräche waren meine größten Albträume. Ich habe mir endlos viele Vokabeln aufgeschrieben, ganze Texte vorgeschrieben und jedes Interview vorher geübt. Ich habe geschwitzt, gezittert, mich verrückt gemacht und hätte am liebsten gesagt, dass ich nicht zum Termin erscheinen kann, vor lauter Magenkrämpfe. Als dann, wer weiß wie das passieren konnte, ich meine ersten Tage in meinem neuen Job antrat, waren diese eher ruhig und nicht sehr gesprächig. Ständig diese Angst etwas falsches zusagen oder gar nichts zu verstehen, ständig die Angst bestellt, aber nicht abgeholt worden zu sein.
Einmal hatte mich meine Chefin gefragt, was ich zu Ostern, also Easter machen werde, da ich aber irgendwas mit ESTA verstanden habe, also das Visum für die USA, habe ich voller Überzeugung mit „Ja kenne ich“ geantwortet. So und da will mir einer sagen es ist nicht peinlich etwas falsch zu verstehen? Never, ever!

Es ist schwer, wenn man nicht das Ausdrücken kann, was man gerne sagen möchte. Mir fehlten Wörter und Synonyme für gängige Redewendungen. Immer die gleichen Wörter zu benutzten kam mir völlig doof vor. Jedes Mal, wenn mein Telefon geklingelt hat, habe ich das gekonnt ignoriert oder musste dreimal tief durchatmen, bis ich mich getraut habe abzuheben. Ich habe mir zu Beginn wirklich sehr viele Gedanken und Sorgen gemacht. Ich habe mich immer gefühlt als das Mädchen, aus dem Ausland und die mit dem deutschen Akzent und winzig kleinem Wortschatz. Meine Freunde und Familie haben mir oft gesagt, mach’ dir nicht so ein Kopf. Das wird schon alles und wenn du etwas nicht verstehst, dann fragst du nochmal. Bitte denjenigen etwas langsamer und deutlicher zusprechen und irgendwann wird es besser und du lernst dazu.
Jemanden um etwas bitten ist mir schon mein ganzes Leben schwer gefallen und dann soll ich auch noch nachfragen und deutlich zu erkennen geben, dass ich nix verstanden habe? Diese Blöße war für mich eine Katastrophe. Aber warum nicht? Warum sollte ich nicht fragen? Im Deutschen kommt es doch auch immer wieder vor, dass ich etwas nicht verstanden habe. Was ist daran falsch zu sagen: Entschuldigung, könnten Sie das bitte noch mal wiederholen?

Die Engländer lernen kaum eine weitere Sprache in der Schule und wenn sie eine gelernt haben, dann nur sporadisch, aber das ist egal. Eine Sprache zu können heißt nicht immer diese zu beherrschen. Eine Sprache kann man auch, wenn man diese nur lesen, nur sprechen oder nur schreiben kann. Vielleicht kann man auch nur ein Teil davon, trotzdem kann ich sagen: “ Ich kann ein Teil einer weiteren Sprache”. Jede Kleinigkeit in einer anderen Sprache ist eine weitere Fähigkeit und sehr viel wert. Jede weitere Sprache ob Sätze, Wörter oder Dialoge sollten als ein WOW gesehen werden.

Ich bin zu Hause zweisprachig aufgewachsen. Bei uns zu Hause wurde immer Polnisch gesprochen und Deutsch habe ich selbstverständlich parallel in der Schule gelernt. Somit wurden mir von Beginn an zwei Sprachen mitgegeben. Da ich aber nur zu einer deutschen Schule gegangen bin, habe ich nie Polnisch schreiben oder richtig lesen gelernt, trotz alldem sage ich, dass ich die Polnische Sprache kann.
Ja ich gebe zu, dass Englisch nicht meine Muttersprache ist und ich diese nicht perfekt kann. Ja ich gebe zu, dass ich manchmal nichts verstehe und ich nachhaken muss. Diese Situationen sind oft anstrengend, mühsam und oft unangenehm. Oft muss ich mich wahnsinnig konzentrieren und aufpassen, sodass ich viele Tage völlig erschöpft ausklingen lasse, aber durch all das habe ich gelernt die Perfektion etwas beiseite zulegen, loszulassen und einige Tage einige Zentimeter größer zu starten. Seither läuft es gar nicht so schlecht.

 
 
Olivia Malchow1 Comment